Zurück









Stora Alvaret

Kein Besuch auf Öland, ohne wenigstens einmal den Fuß auf die berühmte Stora Alvaret zu setzen. So ging es auch diesmal 80 km nach Süden mitten in die Kalksteppe, in der wir uns 1994 immerhin fast eine Woche unterwegs waren, ohne das Gefühl, alles entdeckt zu haben. Das Kambriumplateau der Insel ist hier besonders flach und gleichmäßig. Der stete Wind findet in den Weiten kaum Widerstand und trägt jedes abfallende Blatt weit davon. Die Folge ist ein in mehrfacher Hinsicht extremer Lebensraum.
Rohhumus kann sich kaum bilden, wie Inseln ragen solche Stellen aus der Steppe, wo Wacholderbüsche in Kalkrissen Fuß fassen konnten und gemeinsam mit den Flechten im Windschatten Sand und Pflanzenteile anhäufen konnten.
In der niederschlagsreichen Zeit des Jahres sind die Kalkplatten von Wasser überstaut, einen Abfluss gibt es nicht. Wenn das Wasser Anfang Sommer verdunstet ist, brennt die intensive Sonne auf die Steppe und seine Bewohner. Der mächtige Kalkfels speichert die Wärme für den Winter - eine richtige skandinavische Winterruhe gibt es nicht.
Aber was wäre die Natur, wenn sie hierfür keine Lösung hätte?

Zwischen uralten Wacholder- Fingerkraut- und Schlehensträuchern, denen man ihren jährlichen Überlebenskampf ansieht wachsen u. a. Pflanzenarten, die nur hier in der Stora Alvaret auf der Insel Öland vorkommen. Dazu gehört das Öland-Sonnenröschen, der Öland-Beifuß oder die Öland-Pechnelke. Neben einigen anderen Arten ergänzen insbesondere Steppenspitzkiel, verschiedene Fetthennenarten, die gewöhnliche Kugelblume, Wundklee in allen Farben und Formen, Ebensträußiges Gipskraut und Katzenpfötchen das witterungsgebeutelte Alvaret-Pflanzenensemble der kargen, flachgründigen Steppe.
Ungewöhnlich hoch ist auch der Flechtenreichtum der Stora Alvaret. Verschiedenste Flechtenarten, die ja schon als "Mischidividuen" aus Pilz und Alge die Überlebenskünstler an sich verkörpern, prägen das Bild der Stora noch tiefer. Strauchflechten bilden Teppiche unterschiedlichster Farbtöne und Dicke - bei Sonne laut knirschend, bei Regen watteweich. Krustenflechten dagegen dringen auf die blankgewehten Steinplatten vor und bilden die allererste Grundlage für eine Besiedlung durch weitere Arten.

Doch neben der Steppenvegetation - oder besser dazwischen - findet man im Frühjahr Pflanzen feuchter Standorte und sogar kalkreicher Sümpfe, die ihren Vegetationszyklus bis zum jährlichen Austrocknen der Steppe abschließen können. Insbesondere in den humus- und schottergefüllten Karstrissen der Kalkplatten sind Salomonsiegel, zahlreiche Seggenarten, Wiesenschaumkraut und Sumpfkreuzblümchen zu finden.

Das ästhetische Highlight bilden jedoch eiszeitliche Kiesschichten oder jene flachen Sandhaufen, die im Windschatten der schütteren Wacholder- und Fingerkrautbüsche und zwischen den Strauchflechten zusammengeweht wurden. Sie sind ein wahres Orchideeneldorado mit der berühmten Massenblüte des Stattlichen und des Holunderknabenkrautes gemeinsam mit der Wiesenküchenschelle, das viele Natur- und Blumenfreunde im Mai und Juni in die Stora Alvaret zieht. Das Purpur der Orchideen wird an solchen "tiefgründigen" Stellen mit dem nahenden Sommer durch das Blau des Spitz-Ehrenpreises und das Gelb des Öland-Labkrautes abgelöst. Auch Laucharten sind durch Ihre sommerliche Zwiebelruhe hervorragend an öländische Stora Alvaret - Bedingungen angepasst und bereichern hier im Frühjahr das Nektarangebot für die reiche Insektenfauna.
Die Stora Alvaret ist geprägt durch eine Jahrhunderte währende, äußerst extensive Beweidung. Kleine Rinder- und Schafherden ziehen über die weite Steppe, die durch die typischen Steinmauern in große Parzellen unterteilt ist. Zunehmender Nährstoffeintrag in die Stora Alvaret über die Luft und durch Düngereinwehungen von den küstenseitig gelegenen Ackerflächen bedingen jedoch zunehmend ein Veralgen der Kalkflachseen in Frühjahr und eine schnellere Bildung von Rohhumus. Eine Naturschutzstation der Universität Uppsala am Rande der Alvaret untersucht darum u. a., wie der Viehbesatz oder die Bewirtschaftung der Stora Alvaret diesen Bedingungen angepasst werden muss, um ihren Artenreichtum und ihre besondere Pflanzenwelt zu erhalten.

Nach dem obligatorischen Abstecher in die Stora Alvaret bildeten sich zwei Exkursionsgruppen. Die ornithologisch Interessierten nahmen unter der Führung von Wolfgang Hahn die Erkundung der Südspitze der Insel, Ölands södra Udde, in Angriff. Die andere Gruppe widmete sich Stattdessen einigen besonders in der Flora Ölands erwähnten Zielen entlang der östlichen Küstenstraße.

 

Zurück